Offener Brief an den Polizeipräsidenten Köber wegen des brutalen Polizeieinsatz

25. November 2015

Einer unserer Sprecher, Michael Csaszkózy hat, zwar nicht im Namen der VVN/BdA, aber in unserem Sinne, einen offenen Brief an den Polizeipräsidenten Thomas Köber verfasst, den wir hier gerne dokumentieren:

 

Herrn Polizeipräsident Thomas Köber

Sehr geehrter Herr Köber,

Sie haben mir zu Beginn der Demonstration am 21.11. gegen den Bundesparteitag versichert, dass die Polizei kein Interesse an einer Eskalation der Lage habe. Das tatsächliche Verhalten der Einsatzleitung hat Ihre Worte allerdings konterkariert.

Zu diesem Zeitpunkt war bereits bekannt, welche Gewaltszenen sich an der Peterskirche abgespielt hatten. Es war bekannt, dass eine junge Frau mit Lähmungserscheinungen ins Krankenhaus gebracht werden musste, nachdem Polizisten wiederholt auf den Nacken der am Boden Liegenden eingeknüppelt hatten.

Ihre Pressesprecherin hat gegenüber der Presse bewusst wahrheitswidrig Steinwürfe (die es fernab in der Nordstadt gegeben hat) als Begründung für diesen brachialen Einsatz angeführt. Erst nachdem die erschreckenden Videos bereits im Netz kursierten, ließ sie sich dazu hinreißen, zu erklären: „Es gab dort einige Situationen, die waren nicht in Ordnung“. Wenn man sich ihre markigen Worte für die angeblichen Gewalttaten der DemonstrantInnen vor Augen führt, ist das ein erschreckender Euphemismus. Vom Überfall der Nazis auf einen Dönerladen, der es gewagt hatte „Döner gegen rechts“ anzubieten, ist im Bericht überhaupt keine Rede.

Wie sehr die Pressestelle ihre Rolle als „staatlich beglaubigte Informationsquelle“ zur gezielten Desinformation missbrauchte, konnte man auch an den grotesken Polizeizahlen zum Demonstrationszug beobachten. „350 DemonstrantInnen“ meldete ’spiegel online‘ selbst am nächsten Tag noch unter Berufung auf die Polizei.

Als Sie mir 10 Minuten nach Versammlungsbeginn ausgerechnet Christian Zacherle als neuen Einsatzleiter vorstellten, war klar, dass die Polizei auch beim Demonstrationszug auf Eskalation setzen würde. Herr Zacherle ist überregional nicht nur für seine Rolle im Heidelberger Spitzelskandal bekannt, sondern auch als kommunikationsunfähiger Hardliner mit einer deutlichen Abneigung gegen alles Linke. Er erklärte mir sofort, dass die im Kooperationsgespräch mit dem ursprünglichen Einsatzleiter, Herrn Dörr, gemachten Vereinbarungen für ihn keine Bedeutung hätten. Er meinte darüber hinaus, die Bestimmungen von §12 VersG interessierten ihn nicht, eine Äußerung, die er später auch noch einmal meiner Anwältin gegenüber wiederholte. Ihnen ist selbstverständlich ebenso wie Herrn Zacherle klar, dass die dort sehr unzweideutig formulierte Verpflichtung, Beamte in Zivil, die sich in die Versammlung mischen, dem Versammlungsleiter vorzustellen, auch für Versammlungen unter freiem Himmel gilt. Wir prüfen derzeit noch rechtliche Schritte gegen Herrn Zacherle.

Im Verlauf des Demonstrationszuges ließ Herr Zacherle nichts unversucht, doch noch eine Eskalation herbeizuführen: Von der hauteng geführten Begleitung durch vermummte und behelmte Kampftruppen in den engen Altstadtgassen bis zum Knüppeleinsatz gegen die Abschlusskundgebung, bei der die Beamten den TeilnehmerInnen ein Transparent entrissen.
Dass die Demonstration dennoch nicht außer Kontrolle geriet, ist der Besonnenheit und Entschlossenheit der TeilnehmerInnen zu verdanken, keinesfalls aber der eskalativen Polizeitaktik.
In mir hat sich der Eindruck verfestigt, dass hier nachträglich eine „Begründung“ für die nicht mehr zu verheimlichende Polizeigewalt am Vormittag gefunden werden sollte. Ich bin den DemonstrationsteilnehmerInnen sehr dankbar, dass sie nicht in diese Falle getappt sind.

Die Polizei Baden-Württemberg hat gerade vor Gericht mehrfach deutlich bestätigt bekommen, dass ihr selbstherrliches Auftreten als politischer Akteur, der über Recht und Gesetz steht, nicht hinzunehmen ist. Im Fall des Polizeispitzels Simon Bromma und im Zusammenhang mit Stuttgart 21 hat das Gericht mehr als klare Worte gesprochen. Die Polizeiskandale im Zusammenhang mit dem NSU in Baden Württemberg reißen nicht ab. Dass Innenminister Gall noch immer die Politik der baden-württembergischen Polizei deckt, sollte Sie nicht dazu verleiten, wieder Korpsgeist und eine „Reinwaschung“ der Polizei um jeden Preis vor eine ernsthafte Aufklärung der Geschehnisse um den NPD-Parteitag zu setzen.

Mit freundlichen Grüßen

Michael Csaszkóczy