Ehrung für Heinrich Fehrentz

17. Juli 2014

Am 21. März 2014 wurden an der Heinrich-Fehrentz-Straße im Stadtteil Bergheim erklärende Schilder angebracht, die einige biografische Angaben zu diesem von den Nazis ermordeten Widerstandskämpfer beinhalten. Zur Enthüllung der Schilder fand eine kleine Gedenkveranstaltung für Heinrich Fehrentz statt, bei der die VVN/BdA den folgenden Redebeitrag hielt.

Im Folgenden unser Redebeitrag

In Heidelberg war die ArbeiterInnenbewegung in der Weimarer Zeit nicht so stark gewesen wie in traditionellen Industriestädten wie Mannheim. Nur in wenigen Stadtteilen hatten SPD und KPD hohe Stimmenanteile, stattdessen war in Heidelberg schon früh die NSDAP sehr dominant. Bereits bei der Reichstagswahl 1930 gewann die Nazipartei in Heidelberg 30,1 % der Stimmen, während sie im reichsweiten Durchschnitt nur bei 18,3 % lag.

Die NSDAP wies in Heidelberg eine sehr enge Verbindung zur Universität auf. Insbesondere rechte Studentenkreise wie die Studentenverbindungen, die teilweise geschlossen in die SA eingetreten waren, sorgten für eine Präsenz der Naziideologie in den öffentlichen Debatten.

Mit der Machtübertragung an die Nazis wurden die Parteien und Organisationen der ArbeiterInnenbewegung auch in Heidelberg durch Verbote, Verhaftungen und Terror in ihrer Handlungsfähigkeit eingeschränkt. Die erste Terrorwelle Anfang März richtete sich zunächst hauptsächlich gegen bekannte KPD-Mitglieder und kommunistische Einrichtungen, doch schon wenige Tage später fanden auch in SPD- und Gewerkschaftskreisen Durchsuchungen und Verhaftungen statt. Das Klima der Angst, das durch den NS-Terror erzeugt wurde, schreckte viele von einer weiteren organisierten Arbeit ab.

Doch nicht alle ließen sich davon einschüchtern. Auch wenn es ebenso im bürgerlichen und kirchlichen Lager einzelne Aktivitäten gab, war die antifaschistische Arbeit doch von linken Gruppen dominiert.

In Heidelberg gab es bis 1934 die starke sozialdemokratische Widerstandsgruppe „Rechberg“ um Emil Henk. Ebenfalls aktiv war die Sozialistische Arbeiterpartei SAP, die bis 1938 illegale Literatur verteilte.

Die antifaschistischen Aktivitäten der KPD wurden von Anfang an durch große Verhaftungswellen geschwächt, doch konnte die Arbeit des Unterbezirks bis 1936 fortgeführt werden. Auch danach blieben viele KPD-Widerstandszirkel dauerhaft aktiv. Aus Heidelberg stammten auch drei aktive Mitglieder der Mannheimer Widerstandsgruppe um Georg Lechleiter, die Anfang der 1940er Jahre die KPD-Zeitung der „Vorbote“ herausgaben: Albert Fritz, Käthe Seitz und Alfred Seitz wurden im Prozess gegen die „Vorbote“-Gruppe zum Tode verurteilt und hingerichtet.

Aber nicht nur in den Parteien selbst regte sich Widerstand gegen den Nationalsozialismus, sondern auch im kulturellen Umfeld der ArbeiterInnenbewegung. Im Milieu der linken Sport- und Musikvereine sowie in Wandergruppen wie den Naturfreunden blieb der Widerstandsgeist am Leben. Ende März 1933 wurden diese „marxistischen“ Vereine von den NS-Behörden verboten, ihre Räume durchsucht und ihr Besitz beschlagnahmt.

In der Folge schlossen sich viele Mitglieder existierenden Widerstandszirkeln an, führten ihre Vereinsaktivitäten in privatem Rahmen fort oder trafen sich in kleinen Diskussionsgruppen. Beispielsweise unternahmen die ehemaligen AktivistInnen des Kommunistischen Jugendverbands um Sofie Berlinghof, die weiterhin als KPD-Zelle kassiert wurden, gemeinsame Wanderungen mit früheren Naturfreunde-Gruppen und tauschten sich in diesem Rahmen auch mit sozialdemokratischen GenossInnen aus.

In diesem Umfeld des „Rotsports“ hatte sich auch Heinrich Fehrentz betätigt, der weit über Heidelberg hinaus als Ringer des Arbeitersportvereins „Fichte“ bekannt geworden war und in engem Kontakt zur KPD stand. Heinrich Fehrentz wurde am 26. Juni 1908 in Spiesen im Saarland geboren und wuchs in einer kinderreichen Bergarbeiterfamilie auf. Schon mit 14 Jahren musste er in der Kohlengrube arbeiten, um zum Familienunterhalt beizutragen, später arbeitete er im Elsass und in Luxemburg als Tagelöhner in der Landwirtschaft.

1931 kam Heinrich Fehrentz nach Heidelberg, wo sein Bruder Hans KPD-Stadtverordneter im Bürgerausschuss war. Durch ihn bewegte er sich im engen Umfeld der KPD und schloss sich bald dem Arbeitersportverein „Fichte“ an, wo er als sehr guter Ringer bekannt war. In Heidelberg heiratete er auch Gertrud Fehrentz und hatte mit ihr zwei Kinder.

Nach der Machtübergabe an die Nazis hielt Heinrich Fehrentz weiter an seinen politischen Überzeugungen fest und sah sich immer wieder Repression durch die Nazis ausgesetzt. Mehrfach wurde er kommunistischer Aktivitäten verdächtigt und einmal auch in Untersuchungshaft genommen, doch die Gestapo-Ermittlungen verliefen stets ergebnislos. Sein Bruder Hans war ebenfalls immer wieder in Haft.

Nach dem Überfall auf Polen begann Heinrich Fehrentz, in seiner Wohnung ausländische Radiosender abzuhören. Mit einer Gruppe linker Kegelfreunde führte er in der Gaststätte „Neckarstaden“ antifaschistische Gespräche. Gemeinsam diskutierten sie Nachrichten aus verschiedenen verbotenen Auslandssendern und kritisierten offen die NS-Regierung. Auch einige dienstverpflichtete Elsässer gehörten zu der Kegelrunde.

Im Januar 1943 begannen die Verhaftungen gegen diese antifaschistischen Zirkel. Ausgelöst wurde die Repressionswelle vermutlich durch einen Spitzel oder durch Denunziation. Am frühen Morgen des 10. Februar 1943 stürmte ein Gestapoaufgebot die Wohnung der Familie Fehrentz, durchsuchte die Räume und verhaftete den Antifaschisten. Von Anfang an wurden die Ermittlungen auf Heinrich Fehrentz als vermeintlichen Haupttäter konzentriert. Die anderen Angeklagten wurden zu belastenden Aussagen aufgefordert, entlastende Angaben wurden bei den Ermittlungen ausgespart.

Das Gericht baute die linke Kegelrunde zu einem großen Widerstandskreis auf und belastete insbesondere Fehrentz mit frei erfundenen oder brutal erfolterten Anschuldigungen: Systematisch habe die Gruppe gemeinschaftlich Auslandssender abgehört, bevorzugt in der Wohnung von Heinrich Fehrentz. Dieser habe sich als kommunistischer Agitator und Rädelsführer hervorgetan, die elsässischen Mitglieder zum Kampf gegen Deutschland aufgefordert und die teilweise recht jungen Mitbeschuldigten massiv beeinflusst. Das Gericht unterstellte Heinrich Fehrentz, er habe zur Vorbereitung einer kommunistischen Revolution nach der militärischen Niederlage Deutschlands aufgerufen. Besonders hob das Gericht hervor, Heinrich Fehrentz habe immer wieder im Anschluss an die Radiosendungen die Internationale gesungen und die anderen Gruppenmitglieder zum Mitsingen animiert. Durch diese Vorwürfe wurde ein besonders schwerer Fall von Hochverrat konstruiert.

Der Prozess gegen sieben Heidelberger und Elsässer Angeklagte fand am 26. Oktober 1943 in Heidelberg statt. Die Urteile standen schon vorher fest, wie mehrere Bemerkungen von Justizmitarbeitern gegenüber den Angeklagten belegen. Während gegen die anderen Angeklagten mehrjährige Zuchthausstrafen oder sogar nur sechsmonatige Gefängnisstrafen verhängt wurden, wurde Heinrich Fehrentz als Anführer zum Tode verurteilt. Dieses Urteil war nicht nur für die Ehefrau Gertrud Fehrentz, sondern auch für die anderen Anwesenden ein absoluter Schock, weil die Todesstrafe bei Rundfunkverbrechen zu dieser Zeit absolut unüblich war.

Am 22. Dezember 1943 wurde Heinrich Fehrentz in Stuttgart hingerichtet, die Familie per Telegramm darüber informiert. Seine Leiche wurde danach nicht zur Bestattung freigegeben, sondern ohne Wissen der Angehörigen an die Anatomie der Uni Heidelberg überführt. Nach Kriegsende wurde der Witwe Gertrud Fehrentz von einem Anatomie-Professor mitgeteilt, „dass von meinem Mann noch ein Bein im Institut vorhanden sei. Er riet mir, es in einem Kindersarg bestatten zu lassen. Die Stadtverwaltung Heidelberg verlangte von mir dafür die vollen Bestattungsgebühren.“

Die Täter, die am Justizmord an Heinrich Fehrentz beteiligt waren, machten in der Bundesrepublik unbehelligt Karriere: Staatsanwalt Dr. Krebs, der das Todesurteil für den Antifaschisten gefordert hatte, schaffte es in den 1950er Jahren ans Bundessozialgericht in Kassel. Der Versuch der Angehörigen von Heinrich Fehrentz, Krebs wegen Mordes vor Gericht zu stellen, wurde vom Landgericht Kassel abgewiesen. Der Gestapomann Heinrich Peter, der die Verhaftung vorgenommen hatte, unterrichtete in der BRD bis zu seiner Pensionierung als Lehrer am Heidelberger Kurfürst-Friedrich-Gymnasium.

Wenn wir uns heute hier versammeln, um des von den Nazis ermordeten Antifaschisten Heinrich Fehrentz zu gedenken, dann müssen wir auch sein Vermächtnis weiterführen. Wir müssen uns alten und neuen Nazis entgegenstellen und aktiven Widerstand leisten gegen Faschismus und gegen Menschenverachtung, gegen Rassismus und gegen Krieg.

Wir müssen uns in die Tradition der Häftlinge von Buchenwald stellen, die 1945 nach ihrer Selbstbefreiung den Schwur leisteten:

„Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung. Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel. Das sind wir unseren ermordeten Kameraden und ihren Angehörigen schuldig.“