„Gegen die Schmach der Judenprogrome!“
4. November 2018
Ein bemerkenswertes Dokument deutscher Zeitgeschichte – Herausgegeben von derInternationalen Föderation der Widerstandskämpfer (FIR) – Bund der Antifaschisten
Gegen die Schmach der Judenpogrome!
Erklärung des Zentralkomitees der KPD, „Die Rote Fahne“, Jg. 1938 Nr. 7
Getreu den stolzen Traditionen der deutschen Arbeiterbewegung, im wahren Geiste der größten deutschen Dichter und Denker erhebt die Kommunistische Partei Deutschlands ihre Stimme gegen die Judenpogrome Hitlers, die vor der gesamten Menschheit die Ehre Deutschlands mit tiefster Schmach bedeckt haben. Die Bestialitäten, die von kommandierten SS – Leuten in Zivil im Auftrage der Hitler, Himmler, Goebbels, Göring und Streicher an wehrlosen Juden begangen wurden, werden von allen anständigen Deutschen abgelehnt und verabscheut. Das deutsche Volk hat mit den Brandstiftern der Synagogen, und den Plünderern jüdischer Geschäfte und Wohnungen, mit den Peinigern und Mördern von jüdischen Mitbürgern nichts gemein. Die Kommunistische Partei Deutschlands begrüßt die tapfere ehrenvolle Haltung von vielen Deutschen aus allen Volksschichten, die unter den schwierigsten Verhältnissen versucht haben, ihren Protest gegen die Judenpogrome zum Ausdruck zu bringen und den verfolgten Juden menschliche Hilfe zu leisten.
Es ist eine elende Lüge, daß die Pogrome ein Ausbruch des Volkszornes gewesen seien. Sie wurden von langer Hand vorbereitet, befohlen und organisiert allein von den nationalsozialistischen Führern. Sie sollten in Wirklichkeit dazu dienen, den wachsenden Volkszorn gegen die nationalsozialistische Diktatur, gegen die wahnwitzige Ausplünderung des ganzen deutschen Volkes zu Gunsten der Rüstungsmillionäre und der korrupten Nazibonzen abzulenken auf Unschuldige, mit dem Ruf: „Der Jude ist schuld.“
Es sind aber nicht die Juden, die den Arbeitern die Löhne niedrig halten, den Achtstundentag vernichtet haben, die unerhörteste Ausbeutung betreiben, die Männer aus ihren Familien reißen und zur Zwangsarbeit für den Krieg verschicken. Es sind die nationalsozialistischen Führer im Auftrag des Großkapitals, die diese brutalste Unterdrückung und Ausbeutung der deutschen Arbeiterklasse betreiben.
Es sind nicht die Juden, die den deutschen Mittelständler mit riesigen Steuern und Abgaben vernichten, den Handwerker der notwendigsten Rohstoffe berauben, den Bauern unter die Fuchtel einer unkontrollierten korrupten Bürokratie gezwungen haben. Es sind die nationalsozialistischen Führer als Agenten der Rüstungsgewinnler, die diese Politik durchführen.
Es sind nicht die Juden, die heute in Deutschland jedes freie Wort verfolgen, Hunderttausende in die Konzentrationslager und Zuchthäuser sperren, Zehntausende von Kommunisten, Sozialisten, Demokraten, Katholiken, Evangelischen, Menschen aus allen Ständen und Schichten unseres Volkes gefoltert und ermordet haben. All diese Verbrechen wurden und werden von den nationalsozialistischen Führern im Interesse einer hauchdünnen Oberschicht von Monopolkapitalisten vollbracht. An der Ausraubung der Juden bereichern sich nur diese Rüstungsmillionäre und braunen Bonzen.
Es sind nicht die Juden, die durch eine fortgesetzte Politik der Gewalt und der erpresserischen Drohungen gegenüber den anderen Ländern den Frieden gefährden und Deutschland in einen neuen Weltkrieg treiben. Es sind die Krupp, Thyssen, Mannesmann, Flick usw., die alten imperialistischen Verderber Deutschlands, die Kriegsgewinnler vom letzten Weltkrieg, die Inflationsgewinnler in der Republik, die Rüstungsgewinnler von heute, in deren Auftrag Hitler bereit ist, das deutsche Volk wieder in einem Krieg hinzuopfern.
Immer in der Vergangenheit hat die Reaktion, wenn sie ein Volk aufs Schlimmste ausplünderte und die Erbitterung des Volkes fürchtete, sich der schmutzigen Mittel der Judenhetze und der Pogrome zum Zwecke der Ablenkung von den wahren Schuldigen am Volkselend bedient. So war es im Mittelalter. So war es unter dem russischen Zarismus. Schon vor 50 Jahren erhob der große deutsche Arbeiterführer August Bebel auf dem Kölner Parteitag der Sozialdemokratie seine Stimme gegen den Antisemitismus, der damals ein Mittel war, mit dem die Reaktion das Erwachen der deutschen Arbeiterbewegung zu hemmen versuchte. Lenin prangerte im zaristischen Rußland die Pogrome der Schwarzen Hundert als einen Teil des Bürgerkriegs der Herrschenden gegen die Werktätigen an. Stalin sagte im Jahre 1931: „Als konsequente Internationalisten sind die Kommunisten überzeugte und unversöhnliche Feinde des Antisemitismus.“ Es ist kein Zufall, daß in der Sowjetunion, dem Lande des Sozialismus und des wahren Völkerfriedens, wo jede Ausbeutung beseitigt wurde, es keinen Antisemitismus gibt. Es ist ebenso wenig ein Zufall, daß in Hitlerdeutschland, wo das ganze Volk von einem Klüngel von Großkapitalisten beherrscht wird, der Antisemitismus und das Judenpogrom eines der wichtigsten Mittel der Nazidiktatur zur Verteidigung der Ausbeuterherrschaft und der Inszenierung der Kriegshetze gegen andere Völker geworden ist. Der Kampf gegen die Judenpogrome ist deshalb ein untrennbarer Teil des deutschen Freiheits- und Friedenskampfes gegen die nationalsozialistische Diktatur.
Daher muß dieser Kampf in vollster Solidarität mit unseren jüdischen Mitbürgern von all jenen geführt werden, die von der Hitlerdiktatur geknechtet werden! Denn die Brandstifter der Synagogen und zugleich die nationalsozialistischen Reichsbrandstifter von gestern, sind die Organisatoren der Überfälle heute auf die Bischofspaläste in Wien und München, morgen auf die Kirchen und Klöster, sie sind die Zerstörer der deutschen Gewerkschaftshäuser und die Bombenwerfer auf wehrlose Frauen und Kinder in spanischen Städten.
Die Kommunistische Partei wendet sich an alle Kommunisten, Sozialisten, Demokraten, Katholiken und Protestanten, an alle anständigen Deutschen mit dem Appell: Helft unseren gequälten jüdischen Mitbürgern mit allen Mitteln! Isoliert mit einem Wall der eisigen Verachtung das Pogromistengesindel von unserem Volke! Klärt die Rückständigen und Irregeführten, besonders die mißbrauchten Jugendlichen, die durch die nationalsozialistischen Methoden zur Bestialität erzogen werden sollen, über den wahren Sinn der Judenhetze auf! Die deutsche Arbeiterbewegung steht an erster Stelle im Kampf gegen die Judenverfolgungen. Gegen die mittelalterliche barbarische Rassenhetze bekennt sie sich mit allen aufrechten Deutschen zum Worte Johann Gottlieb Fichtes von „der Gleichheit alles dessen, was Menschenantlitz trägt“.
Die Befreiung Deutschlands von der Schande der Judenpogrome wird zusammenfallen mit der Stunde der Befreiung des deutschen Volkes von der braunen Tyrannei. Deshalb müssen alle deutschen Menschen, die das Regiment der Unterdrückung und der Schändung des deutschen Namens ablehnen und es beseitigen wollen, ihren festen Zusammenhalt schaffe. Solidarität im Mitgefühl und in der Hilfe für die jüdischen Volksgenossen, Solidarität mit den gehetzten Kommunisten und Sozialisten, Solidarität mit den bedrohten Katholiken, Solidarität aller untereinander im täglichen Kampf zur Unterhöhlung und zum Sturz des verhaßten Naziregimes durch die Schaffung der breitesten deutschen Volksfrontbewegung – das ist es, was die Stunde von allen friedens – und freiheitsliebenden Deutschen verlangt!
Einigkeit macht stark. Einigkeit wird den Sieg bringen!
Nieder mit der Hitlerdiktatur!
Es lebe der Frieden!
Es lebe die Freiheit!