Redebeitrag der VVN-BdA auf der Kundgebung gegen rechten Terror am 28. Juni 2019
2. Juli 2019
Nach dem brutalen Mord eines Nazis an dem CDU-Politiker Walter Lübcke fand am 28. Juni 2019 eine Kundgebung gegen rechten Terror in Heidelberg statt, an der sich ein breites Spektrum politischer Parteien und linker Organisatoren beteiligte. Wir als VVN-BdA Heidelberg nahmen ebenfalls an dem Protest teil, der von der AIHD/iL organisiert worden war, und hielten dort den folgenden Redebeitrag:
Die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes/Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten begrüßt es sehr, dass heute in Heidelberg eine Kundgebung gegen die Ausweitung des rechten Terrors in Deutschland stattfindet. Bemerkenswert finden wir das Schweigen der CDU.
Kann es einer Partei wirklich so egal sein, wenn eines ihrer Mitglieder nach jahrelangen Morddrohungen von Nazis kaltblütig erschossen wird?
Kann die einzige politische Reaktion wirklich darin bestehen, den Forderungen seiner Mörder noch weiter nachzugeben und eine noch restriktivere Flüchtlingspolitik zu fordern? Wie sehr kann das politische Klima in einem Land, das die nationalsozialistische Barbarei mit Millionen von Toten zu verantworten hat, eigentlich noch verrohen?
Seit ihrer Gründung durch Überlebende der faschistischen Konzentrations- und Vernichtungslager sieht es die VVN als ihre Aufgabe an, dem Schwur der Häftlinge von Buchenwald gerecht zu werden:
„Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung. Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel.
Das sind wir unseren gemordeten Kameraden, ihren Angehörigen schuldig.“
Von diesem Ziel sind wir weiter entfernt als jemals in unserer Geschichte seit 1945. Es vergeht kein Tag, an dem nicht Nazis, beschützt von deutscher Polizei, durch unsere Straßen marschieren. Sie bestimmen schon seit geraumer Zeit die Agenda der deutschen Politik. Sie setzen die Themen. Und sie bestimmen bereits die Rhetorik der deutschen politischen Debatten. Quer durch alle Parteien heißt es, mensch müsse die Sorgen und Nöte der Rechten ernst nehmen. Wenn von „wir“ und „sie“ die Rede ist, dann sind nicht etwa Ausgebeutete und Ausbeuter*innen gemeint wie früher einmal, sondern Deutsche und Migrant*innen.
Grinsend stellen sich die Abgeordneten der AfD in unseren Parlamenten hin und bezeichnen den rechten Terror, ja die gesamte Naziherrschaft als „Vogelschiss in der deutschen Geschichte“. Aus gutem Grund wollen sie von den deutschen Verbrechen des letzten Jahrhunderts nichts mehr hören.
Und genau deshalb ist unsere Arbeit des Erinnerns und Gedenkens so unglaublich wichtig. Bald schon werden keine Zeitzeug*innen mehr unter uns sein, die aus eigenem Erleben von den Schrecken und der Terrorherrschaft der Nazis berichten können. Dann wird der Kampf um die Umdeutung der deutschen Geschichte, der heute schon begonnen hat, neue Höhepunkte erreichen.
Deshalb ist es unsere Aufgabe, das Vermächtnis der Widerstandskämpfer*innen gegen die Hitlerbarbarei weiterzutragen. Dazu gehört nicht nur das Erinnern, sondern auch der Kampf gegen jeden Versuch, nationalistisches, völkisches und geschichtsrevisionistisches Gedankengut zu bekämpfen, wo immer es sich zeigt.
Sofort nach der Festnahme des mittlerweile geständigen Mörders von Walter Lübcke tischten uns Polizei und Geheimdienste die Mär vom fanatisierten Einzeltäter auf, die wir in Deutschland schon so viele, viele Male gehört haben. Es war nicht der so genannte Verfassungsschutz und nicht die Polizei, die sehr schnell Belege dafür lieferten, dass das eine Lüge war und der Mörder fest eingebunden war in das Terrornetzwerk „Combat 18“ (also „Kampftruppe Adolf Hitler“), die hier in Deutschland völlig ungehindert und legal agieren kann. Es waren wieder einmal die so oft verschmähten und verunglimpften Antifa-Gruppen, die die Öffentlichkeit informierten.
Wir möchten an dieser Stelle unseren Genoss*innen von der Antifa ein ganz herzliches „Dankeschön“ sagen: Danke, dass ihr dort hinseht, wo Verfassungsschutz und Polizei nicht hinsehen wollen. Danke, dass ihr buchstäblich oft Kopf und Kragen riskiert, um die Arbeit zu tun, von der die braven Bürger*innen denken, sie sei Angelegenheit der Polizei. Danke dafür, dass ihr auf der Straße präsent seid, wenn Nazis sich wieder ganz offen auf der Straße präsentieren und danke, dass ihr ihnen ganz konkret Widerstand entgegensetzt!
Innenminister Horst Seehofer (wir wollen an dieser Stelle ganz bewusst den grotesk-gruseligen Titel „Heimatminister“ weglassen, den die Große Koalition neu geschaffen hat) – Innenminister Seehofer also hat gestern den neuen Bundesverfassungsschutzbericht vorgestellt. Darin präsentierte er zum ersten Mal den so genannten Rechtsextremismus als ernsthafte Gefahr für die Demokratie. Gleichzeitig schämte er sich nicht, die Nazis mit ihren entschiedensten Gegner*innen gleichzusetzen, als er erklärte, dieses Land werde „von Links- und Rechtsextremisten gleichermaßen bedroht“. Das Hauptbetätigungsfeld der so genannten Linksextremisten sei nach wie vor der Antifaschismus.
Herr Seehofer, wir möchten an dieser Stelle eindeutig klarstellen: Das ist eine Verhöhnung all derer, die gegen die Nazis gekämpft haben und immer noch kämpfen. Sie sprechen nicht in unserem Namen, Herr Seehofer!
Die Demokratie in Deutschland wird nicht von links bedroht. Sie wird bedroht von einer gesellschaftlichen Mitte, die den Rechten hinterherrennt und nach unten tritt in der diffusen Hoffnung, in künftigen Verteilungskämpfen ein größeres Stück vom Kuchen für sich ergattern zu können.
Für uns gilt auch künftig: „Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung. Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel.“
Wir setzen dem Nationalismus unsere grenzenlose Solidarität mit allen Ausgebeuteten und Unterdrückten entgegen.
Kein Fußbreit dem Faschismus!