Für einen Freispruch im Berufungsprozess von Michael Csaszkóczy!
16. Januar 2021
Am 6. Februar 2021 werden wir mit einer Kundgebung am Anatomiegarten in der Heidelberger Hauptstraße auf den bevorstehenden Prozess gegen den Antifaschisten Michael Csaszkóczy aufmerksam machen und unsere Forderung nach einem Freispruch in die Öffentlichkeit tragen. Am 10. Februar 2021 findet morgens um 8.30 Uhr die Berufungsverhandlung im Landgericht (Kurfürstenanlage 15) statt, für die wir zur Prozessbeobachtung aufrufen.
Am 10. Februar 2021 findet die erste Berufungsverhandlung im Strafverfahren gegen den Heidelberger Antifaschisten Michael Csaszkóczy vor dem Landgericht in Heidelberg statt. Der Realschullehrer war im September 2018 in einem haarsträubenden Prozess wegen „Hausfriedensbruchs“ zu einer Geldstrafe von 20 Tagessätzen à 80 Euro verurteilt worden. Tatsächlich hatte er nur eine Wahlkampfveranstaltung der AfD beobachten wollen.
Die Veranstaltung am 12. Mai 2017 im Hilde-Domin-Saal der Stadtbücherei Heidelberg war öffentlich beworben worden und musste gemäß den Mietbedingungen der Bibliothek auch öffentlich sein. Dennoch war vielen BesucherInnen der Einlass verwehrt worden, indem die AfD die Veranstaltung am Abend kurzerhand zur privaten Versammlung umdeklarierte. Michael Csaszkóczy wurde bereits im Foyer der Stadtbücherei vom AfD-Politiker Rüdiger Klos ein Hausverbot erteilt. Weil er sich weigerte, die öffentlichen Räume zu verlassen, trug die Polizei ihn aus dem Gebäude. Da von ihm bis dahin keine Störung der Veranstaltung ausgegangen war, bestand dafür keinerlei rechtliche Grundlage. Er leistete dennoch keinen Widerstand.
Die AfD nutzte trotzdem die Gelegenheit, um gegen einen engagierten, bundesweit bekannten Gegner vorzugehen und stellte Strafanzeige wegen „Hausfriedensbruch“. Sie erhielt dabei Unterstützung von der Heidelberger Polizei und Justiz. Das Amtsgericht kam dem Ansinnen der Rechtsaußen-Partei nach und verhängte gegen Michael Csaszkóczy eine Geldstrafe von 15 Tagessätzen à 100 Euro, wogegen der Antifaschist Widerspruch einlegte.
Der daraufhin anberaumte Prozess vor dem Amtsgericht am 14. September 2018 begann schon unter dubiosen Vorzeichen. Angeblich wegen einer Änderung in der Geschäftsverteilung beim Gericht war die Richterin nur fünf Tage vor der Verhandlung ausgetauscht worden, ein klarer Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip des „gesetzlichen Richters“, wonach RichterInnen vor einem Prozess feststehen müssen. Die dadurch zuständig gewordene Richterin, Julia Glaser, ist zudem, wie sich im Nachhinein herausstellte, die Schwiegertochter des AfD-Bundestagsabgeordneten und Gründungsmitglieds der Partei, Albrecht Glaser. Zwar kann man selbstverständlich allein daraus nicht auf eine politische Nähe schließen, doch laut Strafprozessordnung sind familiäre Beziehungen auch schon beim Anschein einer Befangenheit anzuzeigen. Dennoch wurde die Besetzungsrüge der Verteidigung abgelehnt.
Die Sorge um die Unparteilichkeit der Richterin erwies sich im Folgenden als nicht unbegründet. Die von ihr angeordneten Sicherheitsvorkehrungen waren für ein Verfahren wegen Hausfriedensbruchs geradezu grotesk: Wie bei einem Prozess gegen einen Schwerverbrecher wurde der Gerichtssaal von zwölf PolizistInnen gesichert. Taschen wurden am Eingang des Justizgebäudes durchleuchtet, alle Besucherinnen und Besucher mussten sich abtasten lassen, am Eingang zum Gerichtssaal ihren Ausweis vorzeigen und ihr Handy abgeben. Die Verteidigung bezeichnete diese Stimmungsmache zu Recht als Vorverurteilung.
Richterin Glaser räumte in ihrem Urteil zwar ein, dass bei einer öffentlichen Versammlung in öffentlichen Räumen grundsätzlich alle Interessierten, auch kritische, ein Recht auf Teilnahme haben. Csaszkóczy habe aber in diesem Fall den Schutz von Artikel 8 Grundgesetz, der die Versammlungsfreiheit garantiert, verwirkt, weil er die Veranstaltung stören wollte. Sie stützte sich dabei auf die Aussage des Einsatzleiters der Polizei, wonach er die Rechtmäßigkeit einer Privatveranstaltung angezweifelt habe und den Mietvertrag einsehen wollte. Er sei als „Rädelsführer“ anzusehen, weil er eine dominante Persönlichkeit sei und Einfluss auf seine Mitstreiter ausübe. Das Urteil berief sich somit nicht auf konkrete Handlungen des Angeklagten, sondern auf eine politische Charakterisierung und Rollenzuschreibung der Polizei, die auch als einzige gehört wurde. EntlastungszeugInnen, wie die Heidelberger Stadträtin Hilde Stolz, die das Geschehen völlig anders beobachtet und beurteilt hatten, wurden gar nicht erst zugelassen.
Angesichts dieses grob unfairen Vorgehens gegen Michael Csaszkóczy drängt sich der Verdacht auf, Polizei und Justiz wollten damit eine frühere Schlappe auswetzen. Baden-Württemberg und Hessen hatten von 2004 bis 2007 ein Berufsverbot gegen den Lehrer verhängt, das jedoch einer Prüfung des Verwaltungsgerichtshofs nicht standhielt. Das Berufsverbot wurde in einem Verfahren, das bundesweit für Aufsehen sorgte, gekippt, und Baden-Württemberg zu einer fünfstelligen Schadensersatzsumme verdonnert. Der Verfassungsschutz darf Michael Csaszkóczy jedoch weiterhin bespitzeln.
Dass sich das Heidelberger Amtsgericht im Verfahren über Auseinandersetzungen um die umstrittene AfD-Veranstaltung gleichzeitig zum Handlanger der rechtsextremen Partei machte, setzt dem Ganzen noch die Krone auf. In die gleiche Entwicklung nach rechts geht die Entscheidung auf Bundesebene, der VVN-BdA den Status der Gemeinnützigkeit abzuerkennen.
Wir kennen Michael Csaszkóczy als verdienten Aktivisten, der sich seit vielen Jahren in der VVN-BdA und anderen antifaschistischen Initiativen gegen rechte, rassistische, demokratiefeindliche Gruppen und Tendenzen in unserer Gesellschaft engagiert. Wir stellen uns solidarisch hinter ihn.
Wir fordern ein faires Berufungsverfahren und erwarten, dass Michael Csaszkóczy ‒ die tatsächlichen Umstände bei der AfD-Veranstaltung in der Stadtbücherei berücksichtigend ‒ freigesprochen wird.
Das Urteil der Heidelberger Justiz hat die AfD auch noch ermutigt, Anfang 2019 im Landtag ein erneutes Berufsverbot gegen Michael Csaszkóczy zu beantragen. Wir fordern die Landesregierung daher vorsorglich auf, keine erneuten disziplinarrechtlichen Maßnahmen oder gar ein zweites Berufsverbot gegen den Lehrer zu erlassen.
Wir protestieren dagegen, dass für die Berufungsverhandlung ähnlich befremdliche Maßnahmen verfügt wurden wie bei der ersten. Öffentlichkeit ist damit, verbunden mit coronabedingten Einschränkungen, nur bedingt gewährleistet.
Wir rufen auf zu einer Solidaritätskundgebung mit Infostand am Samstag, 6. Februar sowie zur Teilnahme an den Verhandlungen am 10. Februar und 24. Februar.
VVN-BdA Heidelberg mit Unterstützung von Bunte Linke, DIE LINKE Heidelberg, Heidelberger Forum gg. Militarismus u. Krieg, DBG Heidelberg/Rhein-Neckar und GEW Rhein-Neckar-Heidelberg
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Sa. 6.2.2021: Solidaritätskundgebung
13.00 | Hauptstraße, am Anatomiegarten, Heidelberg
Mi. 10.2.2021: 1. Berufungsverhandlung
08:30 | Landgericht Heidelberg, Kurfürsten-Anlage 15