Ermordet wegen seiner antifaschistischen Überzeugung: Heinrich Fehrentz

17. April 2020

Heinrich Fehrentz wurde am 26. Juni 1908 in Spiesen (Saarland) geboren und wuchs in einer kinderreichen Bergarbeiterfamilie auf. Schon mit 14 Jahren musste er in der Kohlengrube arbeiten,um zum Familienunterhalt beizutragen. Eine später begonnene Schlosserlehre konnte er aufgrund der finanziellen Situation nicht abschließen, und er arbeitete Ende der 1920er Jahre im Elsass und in Luxemburg, hauptsächlich als Tagelöhner in der Landwirtschaft.

1931 kam Heinrich Fehrentz nach Heidelberg, wo sein Bruder Hans KPD-Stadtverordneter im Bürgerausschuss war. Auch er selbst bewegte sich im engen Umfeld der KPD, engagierte sich aber hauptsächlich beim „Rotsport“ und schloss sich dem Arbeitersportverein „Fichte“ an, wo er als sehr guter Ringer bekannt war. In dieser Zeit arbeitete er zunächst als Schuhmacher, später in einem Rollladengeschäft und schließlich als Kraftfahrer. In Heidelberg heiratete er Gertrud, mit der er zwei Kinder hatte.

Nach der Machtübergabe an die Nazis hielt Heinrich Fehrentz weiter an seinen politischen Überzeugungen fest und sah sich immer wieder Repression durch die Nazis ausgesetzt. Im August1933 wurde er der illegalen Betätigung für die KPD verdächtigt und war sechs Wochen in Untersuchungshaft, auch wenn das Verfahren mangels Beweisen eingestellt werden musste. Nachdem bei einer Hausdurchsuchung eine nicht angemeldete Schusswaffe bei ihm gefunden wurde, wurde im Herbst 1933 eine Geldstrafe gegen ihn verhängt. Auch in den Jahren 1934 und 1935 wurde Heinrich Fehrentz wegen seiner Ansichten denunziert, doch die Gestapo-Ermittlungen wegen KPD-Unterstützung verliefen erneut ergebnislos. Sein Bruder Hans war ebenfalls mehrfach in Haft und zeitweise in KZs interniert.

Nach dem Überfall auf Polen begann Heinrich Fehrentz, in seiner Wohnung ausländische Radiosender abzuhören. Mit einer Gruppe antifaschistischer FreundInnen, die dienstags im „Schlossquell-Stammhaus“ kegelten und sich sonntags in der Gaststätte „Neckarstaden“ trafen, führte er politische Gespräche. Gemeinsam diskutierten sie Nachrichten aus verschiedenen verbotenen Auslandssendern, die sie selbst abgehört oder von anderen erzählt bekommen hatten, und kritisierten offen die NS-Regierung. Nachdem Heinrich Fehrentz durch seine Arbeit als Fahrer einige dienstverpflichtete Elsässer kennengelernt hatte, gehörten auch Robert Koehl sowie Arthur Clauss, der früher ebenfalls einem kommunistischen Arbeiterturnverein angehört hatte, zu der Kegelrunde. In einem Fall hörten einige Mitglieder der Gruppe in der Wohnung von Johann und Maria Ganz gemeinsam verbotene Nachrichten.

Im Januar 1943 begannen die Verhaftungen gegen den linken Zusammenschluss. Ausgelöst wurde die Repressionswelle vermutlich durch einen Spitzel oder durch Denunziation. Am frühen Morgen des 10. Februar 1943 stürmte ein Gestapoaufgebot die Wohnung der Familie Fehrentz in der Dreikönigstraße 15, durchsuchte die Räume und verhaftete den Antifaschisten. Von Anfang an wurden die Ermittlungen auf Heinrich Fehrentz als vermeintlichen Haupttäter konzentriert. Die anderen Angeklagten wurden zu belastenden Aussagen aufgefordert, entlastende Angaben wurden bei den Ermittlungen ausgespart: nicht einmal seine Ehefrau Gertrud wurde zu den Rundfunk-Vorwürfen vernommen oder als Zeugin vorgeladen.

Das Gericht baute die linke Kegelrunde zu einem großen Widerstandskreis auf und belastete insbesondere Fehrentz mit frei erfundenen oder brutal erfolterten Anschuldigungen: Systematisch habe die Gruppe gemeinschaftlich Auslandssender abgehört, bevorzugt in der Wohnung von Heinrich Fehrentz. Dieser habe sich als kommunistischer Agitator und Rädelsführer hervorgetan, die elsässischen Mitglieder zum Kampf gegen Deutschland aufgefordert und die teilweise recht jungen Mitbeschuldigten massiv beeinflusst. Das Gericht unterstellte Heinrich Fehrentz, er habe zur Vorbereitung einer kommunistischen Revolution nach der militärischen Niederlage Deutschlands aufgerufen und die anderen Angeklagten regelmäßig zum gemeinschaftlichen Abhören von Auslandssendern in seine Wohnung eingeladen. Besonders hob das Gericht hervor, Heinrich Fehrentz habe stets im Anschluss an die Radiosendungen die Internationale gesungenund die anderen Gruppenmitglieder zum Mitsingen animiert. Durch diese Vorwürfe wurde ein besonders schwerer Fall von Hochverrat konstruiert und selbst noch das Kriegsstrafrecht bemüht, obwohl keine Wehrmachtsangehörigen beteiligt waren.

Der Prozess gegen sieben Heidelberger und Elsässer Angeklagte fand am 26. Oktober 1943 in Heidelberg statt. Das Oberlandesgericht Stuttgart tagte ausnahmsweise in Heidelberg, um viele Bekannte der Angeklagten im Publikum zu versammeln und so den Abschreckungscharakter zu erhöhen. Die Urteile standen schon vorher fest, wie mehrere Bemerkungen von JustizmitarbeiterInnen gegenüber den Angeklagten belegen. Während gegen die anderen Angeklagten mehrjährige Zuchthausstrafen oder sogar nur sechsmonatige Gefängnisstrafen verhängt wurden, wurde Heinrich Fehrentz als Anführer zum Tode verurteilt. Dieses Urteil war nichtnur für die Ehefrau Gertrud Fehrentz, sondern auch für die anderen Anwesenden ein absoluter Schock, weil die Todesstrafe bei Rundfunkverbrechen zu dieser Zeit absolut unüblich war. Selbst der Gefängnisdirektor bezeichnete im vertraulichen Gespräch gegenüber Gertrud Fehrentz den Vorgang als „Schauprozess“.

Mehrere Angehörige und Bekannte stellten Gnadengesuche, doch der Pflichtverteidiger riet ihnen schnell von allzu großen Hoffnungen ab. Am 22. Dezember 1943 wurde Heinrich Fehrentz in Stuttgart hingerichtet, seine Familie per Telegramm darüber informiert. Seine Leiche wurde danachnicht zur Bestattung freigegeben, obwohl die Witwe wenige Wochen nach der Hinrichtung deshalb nach Stuttgart gefahren war. Stattdessen erfuhr sie auf Umwegen von einer Reinigungsfrau, dass der Leichnam an die Anatomie der Uni Heidelberg überführt worden war. Nach Kriegsende wurde Gertrud Fehrentz von einem Anatomie-Professor mitgeteilt, „dass von meinem Mann noch ein Beinim Institut vorhanden sei. Er riet mir, es in einem Kindersarg bestatten zu lassen. Die Stadtverwaltung Heidelberg verlangte von mir dafür die vollen Bestattungsgebühren.“

Die Täter, die am Justizmord an Heinrich Fehrentz beteiligt waren, machten in der Bundesrepublik unbehelligt Karriere: Staatsanwalt Dr. Krebs, der das Todesurteil für den Antifaschisten gefordert hatte, schaffte es in den 1950er Jahren ans Bundessozialgericht in Kassel. Der Versuch der Angehörigen von Heinrich Fehrentz, Krebs wegen Mordes vor Gericht zu stellen, wurde vom Landgericht Kassel abgewiesen. Der Gestapomann Heinrich Peter, der die Verhaftung vorgenommen hatte, unterrichtete in der BRD bis zu seiner Pensionierung als Lehrer am Heidelberger Kurfürst-Friedrich-Gymnasium.