Grußwort der Antifaschistischen Initiative am 1.11.2021

3. November 2021

Auch die Antifaschistische Initiative Heidelberg/Interventionistische Linke war beim jährlichen Gedenken auf dem Bergfriedhof wieder mit einem Grußwort vertreten:

Liebe Genoss*innen, liebe Freund*innen,

wenn wir uns jedes Jahr an diesem Datum hier versammeln, um der von den Nazis ermordeten Antifaschist*innen zu gedenken, dann ist das nicht nur eine Stunde der Erinnerung. Denn Erinnern heißt kämpfen, und wir sind hier im Bewusstsein, dass es unsere Pflicht ist, das Erbe der hier ruhenden Widerstandskämpfer*innen weiterzuführen.

Als sich die Häftlinge des KZ Buchenwald im April 1945 selbst befreiten, schworen sie:

„Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung. Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel. Das sind wir den gemordeten Kameraden, ihren Angehörigen schuldig.“

Und diesen Schwur sind wir verpflichtet umzusetzen, indem wir gegen Faschismus, gegen rechte Umtriebe, gegen Rassismus, Antisemitismus, Antiziganismus und andere Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit, gegen kapitalistische Ausbeutung und neokoloniale Kriege kämpfen. Diesen Kampf müssen wir in allen Bereichen des Lebens führen. Wir müssen verhindern, dass rechte Meinungen wieder salonfähig werden, dass Geschichtsrevisionismus wieder laut werden darf, dass Faschismus als Meinung und nicht als Verbrechen betrachtet wird.

Besonders unerträglich ist es, wenn Mitglieder faschistischer und rechter Parteien die Erinnerung an die von den Nazis Verfolgten besudeln. Und damit meine ich nicht nur Aufmärsche von Stiefelnazis an Jahrestagen oder an Gedenkorten. Damit meine ich die unerträgliche Duldung von AfD-Mitgliedern bei Gedenkstunden, wie sie bei städtischen Veranstaltungen wie am 9. November bundesweit üblich wird – auch hier in Heidelberg.

Die Novemberpogrome rund um dieses Datum, in der reichsweit Synagogen, jüdische Versammlungsräume, Friedhöfe und Geschäfte zerstört wurden, markierten den Beginn der systematischen Vertreibung und Ermordung der jüdischen Bevölkerung Europas. Auch in Heidelberg gibt es jedes Jahr an diesem Datum eine „Zentrale Gedenkfeier anlässlich der November-Pogrome“, zu der die Stadt Heidelberg zusammen mit der Jüdischen Kultusgemeinde einlädt und die auf dem Synagogen-Platz in der Altstadt abgehalten wird.

Seit ihrem Einzug in den Bundestag und in fast alle Landtage der Bundesrepublik wendet die AfD extrem viel Kraft auf, um die deutsche Vergangenheit, insbesondere die Zeit des NS-Terrorregimes, umzudeuten. Sie will „stolz auf deutsche Soldaten in zwei Weltkriegen“ sein, bezeichnet die NS-Zeit als „Vogelschiss“ und materielle Erinnerungen an die Shoah als „Mahnmal der Schande“. Die Notwendigkeit einer antifaschistischen Gedächniskultur wird von der AfD allgemein nicht anerkannt; stattdessen werden Auseinandersetzungen damit als „Schuld-Kult“ verunglimpft. Die AfD will keine Lehren aus dem Terror des Faschismus ziehen will, sondern eine  „erinnerungspolitische Wende um 180 Grad“. Dennoch wurden erneut auch die lokalen AfD-Gemeinderäte zur Gedenkfeier am Synagogenplatz eingeladen.

In der AfD sind Antisemit*innen akzeptiert; Antisemitismus wird in der Partei praktiziert und gleichzeitig verharmlost. Die Nennung zahlreicher Verstrickungen der AfD mit klar antisemitischen Gruppierungen spare ich an dieser Stelle aus. Auf der anderen Seite versucht die AfD, mit Geschichtsrevisionismus eine Auseinandersetzung mit der Vergangenheit insgesamt unmöglich zu machen. Faschistischen Akteur*innen ist es immer wichtig, die staatsterroristische Zeit von 1933 bis 1945 entweder bis zur Unkenntlichkeit zu verharmlosen (auch durch „egalisierende“ Gleichsetzung mit anderen politischen Systemen) – oder ganz totzuschweigen – oder: auch vermeintlich „Gutes“ in ihr zu finden. Während einige AfD-Politker*innen sich offen antisemitisch äußern, versuchen andere, sich mit hohlen Lippenbekenntnissen in den Diskurs zurückzuheucheln. Allen ist gemeinsam, dass sie – wenn sie nicht selbst welche sind – täglich Hand in Hand mit Nazis arbeiten. Wenn also Politker*innen der AfD an einer Gedenkfeier für im Faschismus ermordete Menschen teilnehmen, ist das nicht nur unangebracht, sondern heuchlerisch, respektlos und gefährlich. Die Gesellschaft muss darauf eine klare Antwort in Solidarität mit den Betroffenen von damals und heute finden.

Wir fordern also: Zum Schutz der an der Feier nächste Woche Teilnehmenden, aus Respekt vor den Ermordeten und für die klare Zurückweisung faschistischen Denkens MUSS die AfD vom Gedenken am 9. November auf dem Synagogenplatz in der Heidelberger Altstadt ausgeschlossen werden. Wer denkt, die AfD aus irgendeinem bürokratischen, stadtverwaltungsrechtlichen, oder „neutralitätswahrenden“ Grund einladen zu müssen, hat nicht verstanden, dass damit die Diskursfähigkeit einer durch und durch rechten Partei erhöht wird, die faschistischen Tendenzen wieder den braunen Teppich ausbreitet.

Wir sind in der Pflicht, auf die Stadt Druck auszuüben, damit sie den braunen Umtrieben und der rechten Präsenz beim Gedenken nicht länger durch offizielle Einladungen Vorschub leistet.

Das sind wir den hier ruhenden Genoss*innen, das sind wir allen von den Nazis Ermordeten schuldig.

Nie wieder Faschismus. Nie wieder Krieg.

Erinnern heißt Kämpfen!